Ensteht in der geplanten Pipeline - sie hat einen Durchmesser von einem Meter und wird mit rund 100 Atmosphären Druck betrieben, also etwa dem 50fachen eines normalen Reifendrucks - ein Leck, so tritt das Gas aus und kann sich bei einem explosiven Mischungsverhältnis aus Luftsauerstoff und Gas entzünden. Es kommt bei dem geringsten Funkenflug - etwa duch ein elektisches Gerät - zu einer gewaltigen Exposion, da die ausgetretene Gasmenge, selbst wenn Sicherheitsabschaltungen in Aktion treten, riesig ist.
Der Feuerball und die Hitze bei einem solchen Unfall töten mit absoluter Sicherheit jedes Leben, das sich in einer Entfernung von rund 250 Metern vom Explosionsort befindet - also in einem Radius mit 500 Metern Durchmesser.
Noch in 400 Metern Entfernung - bei einer Explosion etwa am Nordwestrand von Drevenack kommt das ungefähr dem Standort der Sparkassenfiliale gleich - schmelzen im Freien die Plastikteile an Fahrzeugen - so heiß ist es hier noch! Wer nicht im oben genannten Umkreis der Katastophe getötet wurde, trägt hier - zumindest im Freien - mehr oder weniger schwere Verbrennungen davon.
In noch weiterem Umkreis ist mit schweren Gebäudeschäden zu rechnen.
Ist das lediglich eine Fiktion? Nein, denn es ist schon einmal geschehen.
2004 fanden im belgischen Ort Ghislengien in einem Gewerbegebiet Erdverdichtungsarbeiten statt - verhängnisvollerweise an der Pipeline-Trasse, die von ihren technischen Daten her der geplanten Zeelink-Pipeline ähnelt. Wohlgemerkt: Der Explosionsort lag weit außerhalb der Gemeinde und war selbst im Gewerbegebiet etwas abseitig gelegen. Und einer wissenschaftlichen Studie zufolge lag die Pipeline an dieser Stelle 6 Meter tief im Boden - und nicht 1 Meter wie in Hünxe geplant.
Wochen darauf wurde die zwischenzeitlich mit verringertem Druck betriebene Rohrleitung wieder voll in Betrieb genommen. Was niemand wußte: Die Arbeiten hatten die Hülle der Pipeline geschwächt. Am 30. Juli 2004 trat Vermutlich 30 Minuten lang das unter Hochdruck stehende Gas aus. Dann kam es zur Explosion. Fast alle der insgesamt 24 Todesopfer starben auf der Stelle. Ihre verstümmelten Körper wurden bis zu 200 Meter weit geschleudert. Bis in diese Entfernung erlitten auch viele der fast 150 Verletzten schwerste Verbrennungen, die sie für ihr ganzes Leben entstellten.
Fünfeinhalb Jahre nach der Katastrophe wurde das Gastransportunternehmen Fluxys 2010 freigesprochen. Das zusttändige Gericht meinte, Fluxys sei nicht dazu verpflichtet gewesen, bei Bauarbeiten über den von ihr genutzten Gasleitungen die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu überwachen. Auch den Auftraggeber der Bauarbeiten, die seinerzeit zu dem Pipelinebruch führten, sprachen die Richter frei.
Auf dem Gelände wurden seinerzeit Gebäude für eine Tochtergesellschaft des Geräteherstellers Husqvarna gebaut. Für den Bau seiner neuen Fabrik habe Husqvarna zwar zu knappe Fristen gesetzt, die Verstöße gegen die Bauvorschriften sah das Gericht jedoch nicht als Grund für die Explosion. Einen Architekten, der für Husqvarna damals die Bauarbeiten leitete, sprach das Gericht dagegen wegen fehlender Sicherheitsvorkehrungen der fahrlässiger Tötung schuldig. Eine Mitschuld treffe auch den bei der Katastrophe getöteten Feuerwehrchef.
Mit dem Freispruch für Fluxys und Husqvarna folgten die Richter nicht der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die eine Hauptschuld bei den beiden Unternehmen sah. "Eine Enttäuschung nach der anderen - ich bin geschockt", sagte der Bauarbeiter David Da Palma, der als einer von rund 500 Nebenklägern in dem Verfahren auftrat. Er war bei dem Unglück schwer verletzt worden.
Die deutschen Gerichte ticken auch nicht viel anders als die belgischen. Wenn es also eines Tages in Hünxe zur Katastrophe kommt, dürfte die Schuld wohl beim Bauarbeiter, Landwirt oder Schatzgräber hängen bleiben....